Trockenmauern sind nicht bloss eine Ansammlung von Steinen, wie es auf den ersten Blick erscheinen mag. Im Gegenteil, sie stellen eine jahrhundertealte, traditionsreiche Bautechnik dar. Ausserdem sind sie wichtig für den Erhalt der Biodiversität und nicht zuletzt haben sie einen ästhetischen Wert. Leider werden Trockenmauern immer seltener angelegt und immer häufiger durch Betonmauern oder Zäune ersetzt. Haben Sie einen Garten? Dann helfen Sie mit, an dieser Situation etwas zu ändern! Harmonie zwischen Handwerk, Kunst und Natur Eine Trockenmauer ist ein Mauerwerk, das ohne Zuhilfenahme von Mörtel oder Zement errichtet wird. Auf Weiden kann sie freistehend sein und als Abgrenzung, Wind- oder Sichtschutz dienen. Bei Terrassierungen eines Steilgeländes dient sie als Stützmauer. Früher hat man sie in vielen Gebieten angelegt, heutzutage trifft man sie vor allem in Gärten an. Trockenmauern sind reizvolle Gestaltungselemente, die unsere Landschaften harmonisch beleben. Sie sind nicht nur dekorativ und faszinierend, sondern auch stabil und effizient. Aufgrund ihrer Wasserdurchlässigkeit verhindern sie nämlich Erosion und ermöglichen die Speicherung von Wasser im Erdreich. Aus diesem Grund sind sie gut geeignet für Terrassierungen, beispielsweise von Weinbergen und Olivenhainen. Sie sind auch ein wertvolles Kulturgut, das seit Beginn der Baugeschichte belegt ist. Vor rund 2000 Jahren brachten die Römer die Fertigkeit des Trockenmauerbaus zu uns nach Mitteleuropa. Noch heute sind Kraggewölbebauten aus Trockenmauerwerk rundum das ganze Mittelmeer zu finden. Wenn sie gut gebaut sind, können sie hundert Jahre oder mehr überdauern. Mit dem Alter einer Trockenmauer steigt auch deren ökologischer Wert: Je älter, desto mehr Arten – oft auch gefährdete – sind in der Mauer zu finden. Deshalb verdienen Trockenmauern einen guten Schutz und Aufmerksamkeit. Am 28. November 2019 wurde der Trockenmauerbau in die UNESCO-Liste des immateriellen Kulturerbes der Menschheit aufgenommen. Trotz dieser Anerkennung müssen die Anstrengungen zur Bewahrung dieser Landschaftselemente weiter erhöht werden. © Valeria Renna Trulli in Apulien (Beispiel von Kraggewölbebauten aus Trockenmauerwerk) Ein Eldorado für Tiere und Pflanzen Trockenmauerwerke sind wichtige Biotope für zahlreiche Pflanzen und Tiere, weil sie wertvolle und diverse ökologische Nischen aufweisen. Sie bieten mit ihren offenen Fugen, Hohlräumen und Ritzen Schutz vor Wind und Regen und eine Fülle an Schlupfwinkeln, Verstecken, Jagdrevieren, Eiablage- und Nistplätzen, Ruhe- und Winterquartieren. Aufgrund der optimalen Wärmespeicherung in den Natursteinen werden Trockenmauern als Wärmeinsel bezeichnet. Am Fuss der Mauer ist es zwar meist etwas feuchter, kühler und schattiger, die oberen Bereichen aber sind trocken und warm. Daher werden Bewohner angezogen, die gut mit wenig Wasser, intensiver Sonnenbestrahlung und grossen Temperaturunterschiede zurechtkommen. © Valeria Renna Farne und Efeu siedeln sich gerne auf Trockenmauern an. Bis spezialisierte Pflanzen und Tiere eine Trockenmauer besiedeln, dauert es einige Jahre. Als Pflanzen finden wir in Trockenmauern diejenigen, die auf nährstoffarmen Böden, mit wenig Pflanzensubstrat, grosser Trockenheit und hohen Temperaturen gut gedeihen. Zuerst siedeln sich Pionierpflanzen wie Flechten und Moose an. Es folgen Farne und schliesslich die Blütenpflanzen. Typische Arten sind Zimbelkraut, Mauerraute, Mauerpfeffer, Efeu und der gelbe Lerchensporn – eine wichtige Nahrungspflanze für Schmetterlinge. Die Pflanzen bilden die Lebensgrundlage für viele Insekten und andere Tierarten. So locken Trockenmauern bald verschiedene Tiere an: Schnecken, Spinnen, Wanzen, Käfer, Steinhummeln, Erdkröten oder Blindschleichen. Und während sich die Mauereidechsen besonders gerne auf den wärmenden Steinen aufhalten, nisten Wildbienenarten wie die Mörtelbienen in den Mauerritzen (1). © Martin Aschwanden / stadtwildtiere.ch Eine Mauereidechse Trockenmauern selber bauen Der Bau von Trockenmauern erfordert ein gewisses Mass an Erfahrung und Engagement. Man kann sich eine Trockenmauer von Fachleuten bauen lassen oder man lässt sich auf das Abenteuer ein und probiert, selber eine zu erschaffen. Man kann auch an einer Bauaktion mitmachen (siehe unten, «Kurse»). Mit dem Bau einer neuen Mauer beginnt man am besten während der Winterruhe zwischen November und März. Als Material eignen sich regionale Natursteine. Diese geben der Mauer zum einen ein natürliches Aussehen und zum anderen profitiert die einheimische Flora und Fauna. Ist sie dann gebaut, sollte die Mauer jährlich auf Schadstellen kontrolliert werden. Es sollten aber nur die absolut nötigen Pflege- und Reparaturarbeiten durchgeführt werden. Diese erfolgen während des Sommers, im Winter würde man die überwinternden Tiere zu sehr stören. Die Mauer kann durchaus auch locker überwachsen sein, stark überwachsene Mauern sollte man jedoch teilweise und möglichst schonend entbuschen (1). © David Stang / Wikimedia Commons Gelber Lerchensporn Weiterführende Informationen Wie kann man eine Trockenmauer ökologisch gestalten und bepflanzen? Diese Firmen/Organisationen bauen Trockenmauer für Sie: Abelia und Lamur Eine umfassende Seite, wie man Trockenmauer baut BirdLife Schweiz (2006/2019): Kleinstrukturen-Praxismerkblatt 3: Trockenmauern Nützliche Dokumente Lebendige Grenzen mit Trockenmauern, Factsheet WWF Bauanleitung für Stützmauer (Trockenmauerkurs.ch) Bauanleitung für freistehenden Mauer (Trockenmauerkurs.ch) Kurse Schweizerischer Verband der Trockensteinmauer SVSTM Trockenmauerkurs Trockenmauer-team Stiftung Umwelteinsatz